„Plauer Spitze“ – das war und ist für jede und jeden an Mode und textiler Schönheit Interessierten ein Begriff. Wie sehr die Herstellung von Plauer Spitze mit den schöpferischen Ideen von Absolventen der Kunstschule für Textilindustrie in Plauen verknüpft war, konnten umfangreiche wissenschaftliche Forschungen nun zeigen. Die Erkenntnisse der Recherchen sind bzw. werden den Interessierten in Ausstellungen im Vogtlandmuseum Plauen und im Kunstgewerbemuseum Dresden-Pillnitz zugänglich gemacht. Parallel zur Ausstellung erschien ein Katalogband mit dem Titel „Nouveautés. Kunstschule und Spitzenindustrie in Plauen“.
Das Vogtland hat eine weit zurückreichende Tradition in der Produktion von Textilien. Mit der Industrialisierung wandelten sich nicht allein die Bedingungen der Herstellung, sondern auch die Anforderungen, immer neue modische Trends zu kreieren, um Absatz und Interesse einer begüterten bürgerlichen Klientel zu befriedigen. Gründet 1890 als Königlich Sächsische Industrieschule, um den wachsenden Bedarf an gut ausgebildeten Fachzeichnern zu gewährleisten, erlebte die Ausbildungsstätte in den 1920er Jahren ihre Blütezeit. Die Moderne prägte die Entwürfe und ein reger Austausch mit dem Bauhaus und dem Deutschen Werkbund entfaltete seine Wirkung. 1945 wurden jedoch nicht nur das Gebäude der Kunstschule zerstört, sondern ebenso die umfangreichen Sammlungen. Um so bemerkenswerter ist es, dass auf der Grundlage der in verschiedenen Institutionen erhaltenden Textilien, hiermit eine detaillierte und insbesondere durch zahlreiche Illustrationen belegte Einordnung in den Kontext der wirtschaftlich-sozialen wie gesellschaftlich-künstlerischen Entwicklungen vorgelegt wird.
Der Band ist zweigeteilt: Im ersten Teil beleuchten Autorinnen und Autoren die ebenso spannende wie wechselhafte Geschichte der Textilindustrie in Plauen von 1877 bis 1945. Was sich gerade zu Beginn wie ein Industriespionage-Krimi liest. Außerdem werden die Entwicklungen und Zustände in der heutigen Zeit betrachtet, indem z.B. die heutige Fertigung von Plauer Spitze und die Arbeit von jungen Künstlerinnen und Künstlern präsentiert werden. Dass die Entwürfe der „Nouveautés“, der stilprägenden Neuheiten der Stickerei- und Spitzenindustrie des Vogtlandes, zum größten Teil aus der Feder von Absolventen dieser Schule stammten, lässt erkennen, wie innovativ und vertraut sie mit den Entwicklungen des zeitgenössischen ästhetischen Geschmacks waren. Sichtbar wird dies ebenso anhand der detaillierten Betrachtungen zur Entwicklung der Maschinen, der Industrie und der Geschichte der Kunstschule, begleitet von zahlreichen Abbildungen. Erst diese analytische Einordnung verdeutlicht, wie nah am Puls der Zeit die Spitzenherstellung im Vogtland war. Besonders interessant ist es zu erfahren, wie die Autorinnen und Autoren den Wegen der Lehrenden und Lernenden folgen konnten, etwa vom Musterzeichner zum Entwerfer und dabei die Verbindungen zu einem Welt umspannenden Netz von Wissen und Innovation erkennbar werden. Ebenso können die Entwürfe für neue Bereiche des Lebens (etwa für Kirchenschmuck) vorgelegt werden, die dokumentieren, wie die Gestalter nach dem umfassenden Wandel in Geschmack und Moden im frühen 20. Jahrhundert schöpferisch anregende Lösungen suchten und fanden. Die Betrachter dürften erstaunt sein, wie modisch aktuell da diverse Textilien erscheinen.
Der zweite Teil des Bandes umfasst den Katalog mit Entwürfen der Kunsthochschule für Textilindustrie Plauen, die in den Sammlungen der Schule, den Beständen des Vogtlandmuseums Plauen und des Kunstgewerbemuseums Dresden vorhanden sind. So nah und so eingehend sind den Betrachtern Spitzen, Borten und die ihnen zugrunde liegenden Naturstudien, Skizzen, Entwürfe, aber auch fotografische Dokumente der Anwendung in Hauben und Gewändern, Gardinen und Schmuckelementen wohl noch nie gekommen. Dazu ist die grafische Gestaltung des gesamten Bandes so anspruchsvoll und thematisch passend zum Thema einer Zeit voll sprühender Ideen und modischer Suche von begeistert an Kunst, Handwerk und Industrie Gestaltenden. Die Lust an der Mode und der Kunst ist ohne Zweifel hier sehr lebendig und lehrreich veranschaulicht worden.
Nouveautés
Kunstschule und Spitzenindustrie in Plauen
Herausgeber: Staatliche Kunstsammlungen Dresden; Thomas A. Geisler; Kerstin Stöver;
Ute Thomas
160 Seiten, 292 meist farbige Abb.
ISBN 978-3-95498-578-4
Sandstein Verlag