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SOPHIE TAEUBER-ARP – Gelebte Abstraktion

Das Kunstmuseum Basel zeigt bis zum 20.06. 2021 eine umfassende Retrospektive zum Schaffen der Avantgardistin der klassischen Moderne Sophie Taeuber-Arp. Unter dem Titel „Gelebte Abstraktion“ werden einer internationalen Öffentlichkeit ihre Arbeiten das erste Mal in dieser Form präsentiert. Dabei entstand die Ausstellung in Kooperation mit dem Museum of Modern Art, New York, und der Tate, London.

Anlässlich dieser Ausstellung erscheint im Hirmer Verlag der 352 Seiten umfassende Ausstellungskatalog unter dem Titel „SOPHIE TAEUBER-ARP. GELEBTE ABSTRAKTION“. Die Schweizer Künstlerin Sophie Taeuber-Arp (1889–1943) gilt als eine Pionierin der Abstraktion, wobei ihr Schaffen eine Vielseitigkeit und Experimentierfreude aufweist, die die Beschäftigung mit ihren Arbeiten zu einer anregenden Auseinandersetzung mit den künstlerischen Entwürfen und Ideen der Moderne werden lässt. Ihr Œuvre umfasst neben Textilien wie Kissen und Tischdecken, auch Perlarbeiten, ein Marionettentheater, Kostüme, Wandmalerei, Möbel, Architektur, Grafikdesign, Malerei, Zeichnung, Skulptur und Reliefs.

Der Katalogband ist dieser außergewöhnlichen künstlerischen Interdisziplinarität verpflichtet, sodass eine Annäherung an Sophie Taeuber-Arp auf chronologischer wie kunstschöpferischer Ebene erfolgt. Ganz in dem Sinne, wie die Künstlerin die Grenzen zwischen Kunst und Leben überwand. Wobei sie den Schwierigkeiten und Hindernissen, die ihr persönliches Leben wie die gesellschaftlich-politischen Verhältnisse ihrer Zeit prägten, mit einer Leichtigkeit und Energie meisterte, die Respekt und Staunen gebieten. Nach einer Einführung zu Sophie Taeuber-Arp als Künstlerin, Designerin, Tänzerin und Kunsthandwerkerin ist der Band in folgende Kapitel untergliedert: Kunstgewerbe, 1915-1929; DADA, 1916-1920; Architektur und Innenräume, 1926-1935; Abstraktion und Künstlergruppen, 1929-1939; Landschaften und Stadtlandschaften, 1921-1942; Kunst in Kriegszeiten, 1939-1943. In jedem einzelnen Kapitel werden durch die fachspezifischen Beiträge renommierter Autorinnen und Autoren die künstlerischen Arbeiten von Sophie Taeuber-Arp vor dem Hintergrund ihrer kunsthandwerklichen Ausbildung und Lehrtätigkeit hin zur „gelebten Abstraktion“ ihrer Kunst vorgestellt. Im Anschluss folgt jeweils ein Katalogteil mit den Arbeiten aus dem genannten Schaffenszusammenhang. Im letzten Teil des Bandes folgt ein Beitrag zu den Arbeitsmethoden der Künstlerin sowie eine Chronologie, ein Verzeichnis der ausgestellten Werke und die Bibliografie.

Was sich hier das erste Mal in einer solchen opulenten Gesamtschau zeigt, ist an Fantasie, an kunsthandwerklichem Geschick und Freude am künstlerischen Ausdruck kaum zu übertreffen. Diese Vielseitigkeit ist bemerkenswert und offenbart auf unmerkliche Weise eine Neugier an der Welt, die scheinbar spielerisch das künstlerische Wesen dieser selbstbewussten und begabten Künstlerin erfüllte und leitete. Um so erstaunlicher ist es zu erfahren, dass Sophie Taeuber-Arp zu Lebzeiten nie eine Einzelausstellung oder gar eine Überblicksausstellung hatte. Erst in den späten 1970er Jahren – und damit Jahrzehnte nach ihrem tragischen Unfalltod 1943 -, begann eine wachsende Beschäftigung und Würdigung ihrer Werke.

Sophie Taeuber-Arp war nicht allein Mitglied verschiedener Avantgarde-Zirkel in Zürich und Paris, etwa im Schweizerischen Werkbund, sondern seit 1916 war sie Lehrerin an der Abteilung Kunstgewerbe der Gewerbeschule in Zürich, wo sie für zwölf Jahre Entwerfen und Stickerei unterrichtete. Ihre geometrisch arrangierten Perlbeutel oder ihre fantasievollen Entwürfe für Kostüme erweisen sich für heutige Betrachter als erstaunlich modern und charmant und umso spannender erweist sich der anschließende Weg der Künstlerin bis hin zu Interieurs, Gartengestaltung und der Bewegung farbiger Linien auf Papier.

Angesicht der Fülle und Vielfalt der Werke kann die herausragende Bedeutung dieser großen Avantgardistin der Klassischen Moderne endlich international gewürdigt und wahrgenommen werden.

SOPHIE TAEUBER-ARP
Gelebte Abstraktion
Hg. Kunstmuseum Basel, MoMa New York, Eva Reifert, Anne Umland  Mit Unterstützung von Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung
Beiträge von L. Dickerman, B. Fer, M. Franko, M. Gough, M. Hoch, J. Kinchin, W. Krupp, E. Reifert, N. Sidlina, T. Smith, A. Sudhalter, J. Täuscher, A. Umland, M. White
352 Seiten, 405 Abbildungen in Farbe
Hirmer Verlag
https://www.hirmerverlag.de/de/titel-1-1/sophie_taeuber_arp-2062/